Vom Frieden (Ps 34)

Suche Frieden und jage ihm nach! (Ps 34,15b)

Wir wünschen uns alles Gute und ein glückliches neues Jahr 2019. Und stecken dabei sehr viel Hoffnung in diese vier Zahlen. Alles sollte nun besser werden in diesem Jahr; oder mindestens nicht schlechter. Ja, das ganze neue Jahr liegt wie ein weisses Blatt Papier vor uns und wartet nur darauf beschrieben oder bemalt zu werden und das bringt Hoffnung: Wir dürfen jetzt zu ganz neuen Farben greifen und alles neu gestalten. Einige von uns haben vielleicht ein paar neue Vorsätze gemacht, damit die Hoffnung offiziell wird. Doch es dauert nicht lange und wir merken, dass auch dieses Jahr auf dem weissen Blatt Papier kein neuer «Van Gogh» entsteht. Viel mehr sieht es wie die Kritzelei vom letzten Jahr aus: Vielleicht etwas heller, dunkler oder bunter, aber es ist jedenfalls nicht das prachtvolle Kunstwerk, das wir am Silvester – nach einem Glas Sekt – so klar vor unserem inneren Auge hatten. Eigentlich müsste man nach ein paar Jahren aufgeben, denn ähnliche Hoffnungen und Erwartungen hat man wohl schon in die Zahlen 2018, 2017 usw. gesteckt. Doch der Mensch trachtet nach Glück und lässt dabei keine Gelegenheit aus; und die Hoffnung stirbt zuletzt.

Und in der Tat, es gibt sie: die guten und die schlechten Jahre – wie es auch gute und schlechte Wochen oder Tage gibt. Nun scheinen diese nicht von unseren Vorsätzen und unseren Hoffnungen abzuhängen. Man habe es nicht in der Hand und damit müsste man sich abfinden. Und viele haben sich damit bereits abgefunden und überlassen das Glück dem Zufall und eigentlich kann man so ganz gut leben – einfach die Hoffnungen und Erwartungen runterschrauben und gut ist. Doch dann kommen solche Menschen wie David, die einfach nur wahnsinnig viel Glück hatten, und stören mit ihrem Liedchen die stoische Ruhe, indem sie mit Sätzen prallen wie:

  • ich suchte den Herrn, und er erhörte mich;
  • er hat mich all meinen Ängsten entrissen;
  • die ihn fürchten, leiden keinen Mangel usw.

Ja, sogar der König der Tiere kann «darben und Hunger leiden», doch wer den Herrn sucht, braucht kein Gut zu entbehren. Und gemeint ist dieses Lied für die «Armen» – die sollen es hören und fröhlich sein und den Herrn mit David preisen. Eigentlich sei dieses Lied ein Hohn für alle, denen es nicht so gut geht wie dem ‹Glückspilz› David. Doch das Lied ist eine Einladung an sie und alle, die «Lust am Leben haben» und sich «gute Tage wünschen». Also auch an uns, wenn wir uns ein gutes Jahr wünschen. Denn David fordert uns auf, etwas zu tun, damit es uns auch so gut geht wie ihm.

Was sollten wir also tun? Es heisst – und ich wechsle jetzt zu der neuen Lutherbibel: «Kommt her, ihr Kinder, höret mir zu! Ich will euch die Furcht des Herrn lehren». Der Schlüssel zu den guten Tagen und Jahren ist also die «Furcht des Herrn». Und wie sieht diese konkret aus? Die ganze ‹Lehre vom guten Leben› wird hier kompakt in zwei Versen weitergegeben:

  1. Behüte deine Zunge vor Bösem und deine Lippen, dass sie nicht Trug reden.
  2. Lass ab vom Bösen und tue Gutes; suche Frieden und jage ihm nach!

Na gut, und was hat es nun mit dem neuen Jahr zu tun? Alles: Das Leben, das du dieses Jahr leben wirst, beginnt heute in deinem Herzen. «Denn wovon das Herz überfliesst, davon spricht der Mund» (Lk 6,45) und aus den Worten werden Taten, die das Leben formen und prägen. Das Leben des Menschen beginnt in seinem Herzen. Wenn du also dein Leben ändern willst, musst du mit deinem Herzen anfangen. Doch das Herz tut meistens, was es will. Und der einzige Weg es zu kontrollieren und zu formen, den wir zur Verfügung haben, ist über die Lippen – es ist das Gebet. Über das Gebet kannst du deine Lippen auch im Alltag kontrollieren. Etwas salopp gesagt: Weniger schimpfen – mehr beten. Denn je mehr du betest, desto weniger Zeit bleibt dir zum Schimpfen. Das ist der erste Schritt. Der zweite Schritt ist – tue, was du sagst: «Lass ab vom Bösen und tue Gutes». Verwirkliche die guten Sachen, die du dir im Gebet vorgenommen hast. Und last but not least – der dritte und letzte Schritt: «Suche Frieden und jage ihm nach!». Hier denken die meisten zuerst an den Weltfrieden und dieser ist zweifelsohne wichtig und keine Selbstverständlichkeit. Doch ich sage: Lass uns im Kleinen beginnen. Denn auch der Weltfrieden beginnt mit dem Frieden zwischen zwei Menschen und der Frieden zwischen zwei Menschen beginnt mit dem Frieden in ihren Herzen. Wie jagen wir also diesem Frieden nach? Wir schauen jeden Abend auf den Tag, auf unsere Worte und Werke, zurück, wie es zum Beispiel in dem Stundengebet der Kirche – der Komplet – vorgesehen ist oder wie uns dazu der Epheserbrief ermahnt:

Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind. Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen und gebt nicht Raum dem Teufel. (Eph 4,25–27)

Wenn wir dies tun, werden wir ein glückliches Jahr haben. Und sollte uns das Unglück dennoch heimsuchen, haben wir die Verheissung aus unserem Psalm, V. 19: «Nahe ist der HERR den zerbrochenen Herzen und dem zerschlagenen Geist bringt er Hilfe» (Ps 34,19).

So dürfen wir heute mit Freude und Hoffnung in das neue Jahr «losgehen», wie es im gleichnamigen Gedicht von Inken Christiansen heisst, das ich uns auf diesen Weg mitgeben will:

Die Verheissungen des Morgens atmen.
In die Stille des Unberührten aufbrechen.
Schlafende Häuser hinter sich lassen.
Wind im Gesicht spüren.
Dem neuen Jahr entgegenlaufen.
Mit eigenen Schritten hineinwandern.
Bekannte Wege wie Neuland erkunden.
Ins Weite wollen.
Dem Ungewissen vertrauen.
Aus der Dunkelheit heraustreten.
Auf den Beginn setzen.
Mit den Knospen rechnen.
Gottes Himmel offen sehen.
Alles für möglich halten.
Anfangen.