Ein Haus auf Sand

Mein Standpunkt zu den massnahmen in zusammenhang mit der pandemie covid-19

Wenn ihr im Westen eine Wolke aufsteigen seht, sagt ihr sofort: Es gibt Regen. Und so geschieht es. Und wenn der Südwind weht, sagt ihr: Es wird heiß. Und es geschieht. Ihr Heuchler! Das Aussehen der Erde und des Himmels wisst ihr zu deuten. Warum könnt ihr dann diese Zeit der Entscheidung nicht deuten? Warum findet ihr nicht schon von selbst das rechte Urteil? (Lk 12,54–57)

Das Wort Jesu ermahnt uns dazu, die Zeichen der Zeit zu deuten und das Weltgeschehen aufmerksam zu verfolgen. Ein anderes Wort Jesu fordert uns wiederum dazu auf, ein Haus auf Felsen und nicht auf Sand zu bauen (Lk 6,47–49). Als Christen sollten wir also kein Haus für Schönwetter bauen, sondern für den Sturm, damit nicht das passiert, was am Ende dieses Gleichnisses steht:

Die Flutwelle prallte dagegen und sofort stürzte es ein; und der Einsturz jenes Hauses war gewaltig. (Lk 4,49)

Gerade vor Beginn der Fastenzeit, am Dienstag, den 25. Februar 2020, wurde die Schweiz von der Flutwelle der Pandemie COVID-2019 erreicht. Man wusste, dass diese Flutwelle kommt, und aus vielen Ländern ausserhalb von China hat man auch unzensierte Bilder und Informationen bekommen. Und dennoch sieht es so aus, dass die Schweiz unvorbereitet überrascht wurde, wie die törichte Jungfrau ohne Öl aus einem anderen Gleichnis Jesu (Mt 25,1–13).

Heute, knapp nach drei Wochen, können wir schon sagen, dass es nicht gut aussieht: Es gibt die ersten Risse im Fundament und das Wasser dieser Flutwelle fliesst ungehindert rein. Die Zahl der an COVID-19 Erkrankten steigt exponentiell an und die Zahl der Verstorbenen wird ihr folgen. Denn man hat die Zeichen lange verharmlost und ignoriert, und es zeigt sich auch, dass hier vieles auf Sand gebaut wurde.

Ich bin schockiert über das ‹Krisenmanagement› und die ‹Massnahmen›, die der Bundesrat und das BAG in diesem Zusammenhang mit der Pandemie COVID-19 ergreifen, insbesondere über den «Strategiewechsel» des BAG am 9.3.2020. Diese Massnahmen gleichen einer «geregelten Durchseuchung» und verachten in meinen Augen das Menschenleben. Denn wie sonst ist beispielsweise die Verkürzung und Lockerung der Quarantäne oder die Entscheidung nicht mehr alle zu testen zu interpretieren, obwohl die Zahl der Erkrankten weiterhin exponentiell steigt? Der Bundesrat verkennt entweder den Ernst der Lage oder steht unter einem grossen Druck seitens der Wirtschaft. Doch hiermit steuert die Schweiz heutzutage ungebremst auf das italienische Szenario zu, das Tausende Menschenleben kosten wird.

Noch unfassbarer ist für mich aber die Tatsache, dass viele in der Kirche bei dieser Strategie (wissentlich oder unwissentlich) mitmachen und Wege suchen, wie man die dringenden Empfehlungen des Bundesrates und der Landeskirche so ‹umsetzen› kann, damit möglichst viele Gottesdienste und Veranstaltungen weiter stattfinden können – ungeachtet dessen, dass man mit jedem Anlass Menschen in Gefahr bringt. Auch hier verkennt man vom Anfang an den Ernst der Lage. Denn würde man die Lage ernst nehmen, hätte man schon vor einer Woche das gemeinschaftliche Leben stilllegen müssen und nach alternativen Formen der Verkündigung und Seelsorge gesucht, um Alte, Kranke und Schwache nicht weiter zu gefährden.

In unserem «Haus auf Sand» leben Menschen und wir sollten alles Menschenmögliche tun, um zu verhindern, dass dieses Haus – auch wenn nur zum Teil – abstürzt und davon sind wir heute nicht weit entfernt. Die am Freitag, den 13.3.2020, vom Bundesrat ergriffenen Massnahmen kommen zu spät und werden nicht reichen. Der Bundesrat wird in absehbarer Zeit gezwungen, diese Massnahmen zu verschärfen, wie es in anderen Ländern in Asien und Europa bereits der Fall ist. Denn leider ist das das einzige Instrument, das wir zur Zeit gegen diese Krankheit in der Hand haben. Doch die dabei verstrichene Zeit wird unnötige Menschenleben kosten.

Als Christen sind wir aufgefordert die Zeichen der Zeit richtig zu deuten und als Kirche sollten wir Anderen ein Beispiel sein. Wir sollten nicht erst dann reagieren, wenn wir es vom Gesetz her müssen oder angesichts der Zahl der Erkrankten und Toten gar nicht anders können. Keine einzige unserer kirchlichen Veranstaltungen ist es wert, dass man Menschen in Gefahr bringt und hiermit auch Tote in Kauf nimmt. Aus diesem Grund habe ich meine Veranstaltungen schweren Herzens abgesagt. Die Predigten und Gebete werden weiterhin auf www.gospel.today online publiziert. Darüber hinaus bin ich auf der Suche nach weiteren Alternativen für die Verkündigung und Seelsorge in dieser schweren Zeit.

Der HERR segne uns und behüte uns.
Der HERR lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig.
Der HERR erhebe sein Angesicht zu uns und gebe uns Frieden.
(Num 6,24–26)

Scherzligen, am Sonntag, den 15. März 2020

Pfr. Dr. Zbyněk Kindschi Garský