Das ‹Evangelium der Natur›

Der Physiologus als Quelle der abendländischen Symbolik und Theologie

KURZFASSUNG

Mittelalterliche Städte sind auch in der Schweiz voll von verschiedenen Tieren aus Farben, Stein und Glas, die sich in Kirchen und Häusern und an deren Fassaden verstecken. Während es sich bei einigen Tier- und Pflanzenmotiven nur um Verzierungen handelt, bringen andere eine alte religiöse Symbolik mit sich. Diese ist für den heutigen Menschen oft rätselhaft. Zum Teil lässt sie sich mit Hilfe der Bibel entschlüsseln, wie bei dem Lamm, das im Neuen Testament Jesus bezeichnet, oder bei der Taube, die den heiligen Geist symbolisiert (vgl. Johannesevangelium 1,29.32). Dies ist allerdings nicht immer der Fall. Denn was hat das Einhorn mit der Jungfrau Maria oder der Pelikan mit Christus zu tun? Die Suche nach der Antwort führt in diesem Fall durch das ganze christliche Mittelalter bis ins antike Ägypten, zu einer kleinen frühchristlichen Schrift mit dem Namen Physiologus (der Naturkundige). Dieses kleine Buch, das wohl um das Jahr 200 n.Chr. im ägyptischen Alexandrien verfasst wurde, enthält allegorische Deutungen von Tieren, Pflanzen und Steinen, wobei es nicht nur biblische, sondern auch pagane Motive aufgreift. Der so entstandene Physiologus ist die Urquelle der christlichen theologia naturalis (natürlichen Theologie), denn mit ihm beginnend wird die ganze Schöpfung als ein Buch betrachtet, das Christus verkündigt, als ein Evangelium der Natur. Im Mittelalter wurde der Physiologus dann in Form der gut bekannten Bestiarien im ganz Europa verbreitet und hat nachhaltig die Heraldik, Kunst und Literatur geprägt.

„Das ‹Evangelium der Natur›“ weiterlesen

Schloss Gottlieben (TG)

Ein Gefängnis des böhmischen Reformators Jan Hus

«Nomen atque omen quantivis iam est preti [Name, wie Bedeutung, ist schon jeden Preis wert]» besagt eine alte Redewendung (Plautus, Persa, 625) und so kann man fragen, was es wohl bedeute, wenn ein Ort seit dem 10. Jhdt. «bei den Gott wohlgefälligen Leuten» gennant wird [6], also «Gotiliubon», heute Gottlieben. Diesen Namen belegt schon die zwischen 1134 und 1156 verfasste Chronik des Klosters Petershausen, die das von einer Edelfrau dem Hl. Gebhard vermachte «prædium» (Gut) bei «Tegirwilare» (Tägerwilen) und «Gotiliubon» erwähnt. Am Anfang der Geschichte von Gottlieben stehen also in der Tat Gott wohlgefällige Leute. Und doch ist der Name heute nicht ganz frei von Ironie, denn in die Geschichte ist Gottlieben vor allem als Gefängnis der Diener Gottes eingegangen.

„Schloss Gottlieben (TG)“ weiterlesen